Kraft, Geld und Information sind die drei Vektoren des russischen Angriffs auf den Westen. Jeder einzelne Vektor macht den anderen effektiver.

Original von Edward Lucas (Senior Editor bei The Economist) – Moscow’s art of war (CEPA, 27.2.2017)

Übersetzung von StopFake_Deutsch

Die Ziele reichen von Einzelpersonen bis zu Nationalstaaten. Ermordung, Vergiftung, Schläge und Einbruch sind Beispiele für den Kraftvektor auf der „Mikro“ -Ebene. So sind es auch Erpressung und Einschüchterung.

Auf der Makroebene fehlt Russland aber die militärischen Stärke der Sowjetunion. Dafür entfaltet es aber das, was es momentan zur Verfügung hat, in einer recht effektiven Weise. Russlands militärisches Säbelrasseln ist nicht erfunden worden, um zu zeigen, dass es die NATO in einer direkten Konfrontation schlagen könnte: Russland könnte es natürlich nicht. Aber die massenhaften Drillübungen, vor allem mit Luftabwehrsystemen und kleineren Atomwaffen, signalisieren, dass Russland durchaus bereit ist schnell zu eskalieren. Für viele im Westen, die seit 1991 tief von der eigenen Selbstgefälligkeits-Zitze getrunken haben, ist einfach nicht wert, ein solches Risiko einzugehen.

Auch hier überlappen sich die beiden Vektoren: Kraft zusammen mit Propaganda gleicht Einschüchterung.

Diese Vektoren vereinen sich auch in den „Hacking and Leaking“-Angriffen des Kreml, die in der amerikanischen Politik im vergangenen Jahr wahrgenommen wurden (und bei den Wahlen in der EU in diesem Jahr erwartet werden). Das Stehlen von privaten Daten aus einem Computernetzwerk ist nicht anders als das Einbrechen in ein Büro: Beides sind Verbrechen. Beide Verbrechen haben für sich betrachtet nicht viel Wirkung, es sei denn, die Daten werden gezielt gegen einen Gegner verwendet. Die Veröffentlichung des gestohlenen Materials, entweder direkt oder durch die Weitergabe an die Medien, ist es, was gibt dem Angriff seine Schärfe verleiht.

Russlands Gebrauch des Informationsvektors ist weitaus effektiver als der sowjetische Ansatz während des Kalten Krieges. Das Internet hat Anonymität, Unmittelbarkeit und Allgegenwärtigkeit gebracht. Sie können eine E-Mail von einer erfundenen Adresse senden und eine überzeugend aussehende Website erstellen. Wenn Sie einige vernünftige Vorsichtsmaßnahmen treffen, wird niemand wissen, wer Sie sind. Das Material, das Sie senden, wird für alle in der Welt innerhalb von Sekunden zugänglich sein. Das war mit Fernschreiben und Kurzwellenradio vor knapp 30 Jahren nicht möglich, obwohl diese Technologien zu ihrer Zeit  Wunder ihres Zeitalters waren.

Russland ist kein reiches Land. Aber es setzt sein Geld effektiv ein, sowohl auf geheime als auch auf offene Weise. Es kauft Politiker, politische Parteien, Medien und auch Sportvereine. Es spendet an einflussreiche Menschen, genauso wie an Denkfabriken und an wohlgesinnte Universitäten. Es baut Brückenköpfe durch Handel und Investitionen auf. Der Informationsvektor wirkt dabei als Vervielfacher dieser Kraft.

Gegenschläge und Gegen-Antworten gegen diese Vektoren sind schwer zu formulieren. Wir denken immer, dass das Geschäft eine gute Sache ist – pecunia non olet [Geld stinkt nicht], wie die Römer zu sagen pflegten. Wir sind inhärent pazifistisch und rechnen damit, dass die Antwort auf Konfrontation immer der Dialog sein muss. Beim Umgang mit Informationen setzen wir Fairness vor Wahrheit. Warum die Mühe machen, eine dauerhafte Entscheidung zu treffen, wenn man einfach alle Konfliktparteien als gültige Meinungen behandeln kann? Mit einer solchen Masse an „gefälschten Nachrichten aka Fake News“ (die früher „schlechter Journalismus“ genannt wurden), sticht die schlechte russische Propaganda nicht hervor.

Sicherlich sollte die Antwort darauf auf gar keinen Fall sein, unsere eigenen Gesellschaften zu putinisieren. Der Preis der Freiheit ist, dass Menschen Fehler machen. Sie müssen dies auch weiterhin tun können.

Aber wir können und müssen besser sein, unsere eigenen Regeln durchzusetzen. Menschen, die zum Beispiel für Russland ausspionieren, sollten persönlichen und beruflichen Schaden befürchten, ihre Arbeit zu verlieren und auch ins Gefängnis zu gehen. Dies geschieht nicht oft genug, wie die skandalöse Wiederbeschäftigung eines finnischen Akademischen an einer britischen Universität veranschaulicht, der vorher für Spionage auf Seiten Russlands in Dänemark verurteilt wurde,.

Wir könnten auch sehr viel härter auf die nadelgestreiften Komplizen sein, die den Vektor Geld so effektiv machen. Westliche Banker, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer sind die schwächsten Punkte in den Befestigungen des Kremls. Denn Sie wissen, wer das Geld gestohlen hat und wo es verborgen ist. Wir sollten ihre Geheimnisse aus Ihnen ausschwitzen. Wir können auch die Gewinner der Desinformation stören und verzweifeln lassen.

Abschreckung hat für uns den letzten kalten Krieg gewonnen. Es kann uns dieses Mal gewinnen lassen.

Europas Edge ist eine Online-Zeitschrift, die wichtige Themen in der transatlantischen Politikdebatte abdeckt. Alle Meinungen sind die des Autors und stellen nicht notwendigerweise die Position oder die Ansichten des Zentrums für europäische Politikanalyse dar.


Original von Edward Lucas (Senior Editor bei The Economist) – Moscow’s art of war (CEPA, 27.2.2017)

Übersetzung von StopFake_Deutsch