Sigmar Gabriel Bundesaußenminister

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Quelle: Yurij Bershidsky, The InsiderÜbersetzung: StopFake – Deutsch

Die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA „Novosti“ veröffentlichte einen Bericht über ein Interview mit dem deutschen Außenminister Sigmar Gabriel. Dieser hatte dem deutschen Wochenmagazin Focus ein Interview gegeben. Der Artikel hatte die interessante Schlagzeile „Deutscher Außenminister redet über die Abschaffung der Sanktionen gegen Russland“, dabei wurde zitiert Folgendes gesagt: „Laut der Entscheidungen der EU, sollte das Minsker-Abkommen zu 100% erfüllt werden, bevor Sanktionen gegen Russland auch zu 100% abgeschafft werden könnten. Meiner Meinung nach, ist dies aber unmöglich. Es wäre konsequent schrittweise die Sanktionen abzuschaffen, um zu zeigen, dass es notwendig ist, in Richtung Frieden zu gehen – stellte Gabriel fest in einem Interview mit Focus“.

Die Übersetzung aus dem Deutsch ist dabei etwas sehr frei geraten. In der Tat, sagte Gabriel Folgendes:

„Nach den bisherigen europäischen Beschlüssen muss das Abkommen von Minsk zu hundert Prozent umgesetzt sein, bevor man zu hundert Prozent die Sanktionen aufheben kann. Das halte ich für unrealistisch. Richtig wäre, bei kleinen Fortschritten Sanktionen Zug um Zug abzubauen. Um zu zeigen, dass sich Bewegung in Richtung Frieden lohnt. Da muss Russland seinen Einfluss auf die Separatisten, die USA ihren Einfluss auf die Ukraine ausüben“.

Der Unterschied kann auf den ersten Blick klein vorkommen, aber er ist deutlich. Gabriel fordert nämlich nicht direkt jetzt eine teilweise Aufhebung der Sanktionen. Er schlägt vor, Russland bei schrittweisen Fortschritten von Minsk positiv zu ermutigen, und Sanktionen partiell abzubauen; für den Fall, dass Russland Schritte zur Normalisierung der Situation in der Ukraine machen würde.

RIA „Novosti“ lenkt die Aufmerksamkeit der Leser auf Gabriels Vorstellungen der deutschen Außenpolitik gegenüber Russland. Aber auch hier ist die Aussage aus dem Zusammenhang gerissen worden, um den Eindruck zu schaffen, als ob Gabriel pro-russisch wäre.

RIA „Novosti“ schreibt: „der Minister hat vorgeschlagen, die deutsche Politik gegenüber Russland zu revidieren (…) ,obwohl zurzeit vieles dagegen spricht, bin ich sehr für eine neue Ost-, und Entspannungspolitik‘, – sagte er“.

Tatsächlich vergleicht Gabriel ausdrücklich Russland mit der UdSSR. der Breschnew-Zeit, und dabei Russlands militärischen Beteiligung an den Ereignissen in der Ukraine mit der sowjetischen Invasion in der Tschechoslowakei 1968. Die neue Ostpolitik, sollte Gabriels Meinung nach, vor allem einen möglichen teuren Rüstungswettlauf verhindern. RIA „Novosti“ zieht es aber vor, dies selbst nicht zu bemerken. Anbei seine Worte im Originalzitat vom Focus: „Ich war vor kurzem in Reykjavik. Dort haben Ronald Reagan und Michail Gorbatschow stundenlang geredet und einen Abrüstungsvertrag abgeschlossen, von dem wir heute noch profitieren. Warum können wir keinen neuen Anlauf für Abrüstung und Rüstungskontrolle wagen, statt in einen gigantischen Rüstungswettlauf einzutreten? Obwohl zurzeit vieles dagegen spricht, bin ich sehr für eine neue Ost- und Entspannungspolitik. Brandt hat seine Ostpolitik 1968 begonnen, als die Sowjetunion in die Tschechoslowakei einmarschiert war, also in den dunkelsten Zeiten“.

Quelle: Yurij Bershidsky, The InsiderÜbersetzung: StopFake – Deutsch