Dr. Susanne Spahn für die Friedrich Naumann Stiftung

Die Informationspolitik der russischen Führung ist Teil einer hybriden Kriegsführung. Die Beeinflussung der öffentlichen Meinung im Ausland, bspw. durch Desinformation, ist ein offizielles außenpolitisches Ziel der Russischen Föderation. Der Medienraum in Deutschland ist bei der Verbreitung russischer Narrative und Desinformationen durch die russischen Medien ein wichtiger Schauplatz geworden.

Download PDF

Dr. Susanne Spahn schreibt in Ihrer Studie „Russische Medien in Deutschland“ darüber, wie Russland durch seine Informationspolitik die Beeinflussung der öffentlichen Meinung im Ausland, bspw. durch Desinformation, als ein offizielles außenpolitisches Ziel verfolgt. Welche Motive und Aktivitäten verfolgen die russischen Akteure und welchem Zweck dient dies ausgerechnet in Deutschland? 

Die russischen Medien in Deutschland sind eine Waffe im von Russland geführten Informationskrieg. Das belegen Äußerungen führender russischer Medienvertreter. Die Theorien des Informationskrieges wurden von russischen Militärs entwickelt. In der Tat ist die Beeinflussung der öffentlichen Meinung im Ausland ein offizielles Ziel der Außenpolitik, das in der außenpolitischen Konzeption von 2016 klar benannt wird. Allerdings wird hier nicht von Desinformation gesprochen, sondern von einer „objektiven Wahrnehmung“ Russlands in der Welt. Tatsächlich handelt es sich hier aber um Desinformation, denn die russischen Staatsmedien berichten tendenziös und arbeiten mit Falschdarstellungen, wie ich an zahlreichen Beispielen in der Studie zeige. Die Berichterstattung verfolgt das Ziel, Gegner der russischen Staatsführung zu schwächen und Fürsprecher medial zu unterstützen. Ganz oben auf der Liste der perzipierten Feinde rangieren Kanzlerin Merkel und die Bundesregierung. Auf der anderen Seite wird vor allem über Politikerinnen und Politiker der Parteien Alternative für Deutschland (AfD) und Die Linke positiv berichtet. Die russischen Medien wollen polarisieren, die vermeintlichen Gegner werden dementsprechend mit Attributen wie „kalte Krieger“ und Falschdarstellungen diffamiert und diskreditiert. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass sich die Führung um Präsident Wladimir Putin in einem fortgesetzten Kalten Krieg mit dem Westen sieht. Die russischen Medien sind dabei allerdings nur ein Element der hybriden Kriegführung, weitere sind Cyber-Attacken und Wahlbeeinflussung. Damit will Russland gezielt Einfluss auf die Politik Deutschlands nehmen.

Warum ist dieses Thema, besonders in den letzten Monaten, relevant geworden? Wie verbreitet sind die russischen Medien in Deutschland eigentlich und wie schätzen Sie die weiteren Entwicklungen ein?

Die russischen Staatsmedien verschärfen Konflikte und wollen die Gesellschaft spalten. Dies wurde besonders virulent währen der Corona-Krise, die wegen der Flut an Desinformation auch „Infodemie“ genannt wird. Aber das Coronavirus ist nur eine Krise, die genutzt wird, um die Gesellschaft zu polarisieren. Erst war es die Flüchtlingskrise, dann die EU und der Brexit und jetzt die Pandemie. Die Aussagen der russischen Staatsmedien sind zu diesen Krisen immer gleich: Es wird suggeriert, dass die deutsche Regierung und die EU die Krise nicht bewältigen können. Gleichzeitig wird regelmäßig ein Schreckensszenario entworfen: Der Kollaps des Systems stehe kurz bevor. Als Gegenpol dazu werden die russische Führung und insbesondere Präsident Putin als erfolgreiche Krisenmanager dem angeblichen Versagen im Westen als positives Beispiel gegenübergestellt. Diese für die russische Führung vorteilhafte Sichtweise, wird in Deutschland als unabhängige Alternative zum Mainstream präsentiert. Die russischen Staatsmedien sind in Deutschland mit dem Auslandsfernsehen RT, der Videoagentur Ruptly, der Nachrichtenplattform Sputniknews sowie den Social Media Firmen Redfish und Maffick Media präsent. Besonders RT Deutsch und die Social Media Kanäle haben sich erfolgreich entwickelt und teils etablierte deutsche Online-Medien bei den Nutzerzahlen übertroffen. Die russischen Staatsmedien sind sehr aktiv und kreativ, wenn es darum geht, neue Formate zu schaffen, um verschiedene Kreise der Gesellschaft zu erreichen. Ich gehe davon aus, dass diese Aktivitäten verstärkt werden, denn vor der Bundestagswahl 2021 wird die Einflussnahme besonders wichtig.

Wie ist die deutsche Politik mit der russischen medialen Präsenz hier bisher umgegangen? Ist sich die deutsche Öffentlichkeit über die Motive und Aktivitäten der russischen Medien ausreichend bewusst? Wie sollte sich Deutschland in Zukunft positionieren?  

Leider sind sich viele Bürger des Problems nicht bewusst oder sind der Ansicht, dass die russische Desinformation für Deutschland kein Problem sei. Die Tatsache eines von Russland organisierten Informationskrieges scheint vielen zu absurd, um wahr zu sein. Deshalb möchte ich die Leserinnen und Leser einladen, sich anhand der in dieser Studie vorgestellten Fakten und Beispiele von der Realität zu überzeugen. Die Bundesregierung spricht das Problem der hybriden Kriegsführung kaum öffentlich an, obwohl der Bundestag 2015 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Opfer von Cyberabgriffen des russischen Geheimdienstes GRU wurde – davon sind zumindest die deutschen Sicherheitsbehörden überzeugt. Leider gab es einige Bundesminister, die in der Vergangenheit RT Deutsch vor Wahlen Exklusiv-Interviews gegeben und den Sender damit als journalistisches Medium legitimiert haben. Wünschenswert wäre eine klare Positionierung in dieser Frage. So bezeichnete der französische Präsident Emmanuel Macron RT und Sputnik als Agenten der Einflussnahme. Ebenso wäre es sinnvoll, eine landesweite Medienanstalt zu schaffen, wie die britische Ofcom, die Kommunikationsdienste beaufsichtigt. In Großbritannien wurde RT bereits wegen Verletzung journalistischer Standards zu einer Strafe in Höhe von 200.000 Britischen Pfund verurteilt. Die russischen Staatsmedien sollten verpflichtet werden, bereits auf der Startseite kenntlich zu machen: Diese Inhalte werden von der Regierung Russlands finanziert. Diese Transparenz ist notwendig, denn RT und Co. präsentieren sich als alternative und unabhängige Medien. Damit werden Nutzer in die Irre geführt. Es ist nämlich nicht sofort zu erkennen, dass die russischen Medien Waffen im Informationskrieg sind.

Information als Waffe – Auszug aus der Publikation

Informationen waren schon immer eine Waffe, mit deren Hilfe in kriegerischen und politischen Auseinandersetzungen der Gegner in die Irre geführt werden sollte. Die bewusst falsche Information zum Zweck der Täuschung wird als Desinformation bezeichnet. Mit der Digitalisierung ist die Verbreitung von Desinformation zu einem globalen Problem geworden. Diese wird einzelnen Personen, Medienunternehmen oder Staaten vorgeworfen. Der amerikanische Präsident Trump und Fox News werden damit häufig in Verbindung gebracht, aber auch Staaten wie China, Iran und Russland rücken in den Fokus der Aufmerksamkeit. Im Folgenden werden die Besonderheiten der von den russischen Staatsmedien in Deutschland verbreiteten Desinformation untersucht.

Die Informationspolitik der russischen Führung ist Teil einer hybriden Kriegsführung, die über ein ganzes Repertoire an Methoden verfügt. Diese Instrumente der Subversion werden gegen die Ukraine, andere westlich orientierte Staaten des postsowjetischen Raums und den Westen eingesetzt. Dank des von einer ukrainischen Hackergruppe veröffentlichten Schriftverkehrs eines hochrangigen Beamten der russischen Präsidialverwaltung, Wladislaw Surkow, weiß man mehr über die Methoden der Einflussnahme auf ausländische Staaten. Diese Methoden reichen von Medien, Soft Power und PR über wirtschaftliche Druckmittel bis hin zu Protestaktionen und militärischen Einsätzen. Das russische Instrumentarium in westlichen Staaten konzentriert sich auf Spionage, Informationskrieg, Cyber-Attacken, Wahlbeeinflussung und Ermordung von Regimegegnern, wie im Fall des ehemaligen KGB-Agenten Alexander Litwinenko und der Vergiftung Sergej Skripals 2018.

Die russische Führung sieht sich in einem fortgesetzten Kalten Krieg gegen den Westen, wie Präsident Wladimir Putin in seiner Rede vor der Föderalversammlung 2014 betonte. Der Konflikt um die Ukraine diente als Initialzündung für neue Spannungen mit dem Westen, denn das Vorgehen der Kreml-Führung kollidierte mit dem internationalen Völkerrecht. Um der Öffentlichkeit im Ausland die eigene Deutung der Ereignisse nahe zu bringen, wurde die globale Medienoffensive von Sputnik International und dem Auslandssender RT gestartet. Anhand dieseKonflikts wird besonders deutlich, wie Information und Medien von Russland als Waffe eingesetzt werden. Die Assoziierung der Ukraine mit der EU und ihre Kooperation mit der Nato werden von Russland sehr negativ bewertet. In den Augen der russischen Führung verfolgen die USA und ihre Bündnispartner eine Politik, die darauf ausgerichtet ist, die Ukraine und andere postsowjetische Staaten von Russland loszulösen und die Region amerikanischem Einfluss zu unterwerfen. So wie die USA einst die Sowjetunion zerstören wollten, so wollten sie jetzt den Zerfall Russlands herbeiführen, sagte der Sekretär des russischen Sicherheitsrates Nikolaj Patruschew im Interview mit der Rossijskaja Gaseta. Der Machtwechsel in der Ukraine wird als „Umsturz“ interpretiert, dieser sei von den USA unterstützt, behauptete Patruschew im Oktober 2014.

Putin & Surkow
Putin und Surkow (v.l.) bei Verhandlungen im Ukraine Konflikt. © © picture alliance / dpa | Michael Kappeler

Während Surkow den hybriden Krieg Russlands in der Ukraine und Georgien orchestriert, führt ein anderer Vertrauter Putins in der Präsidialverwaltung, Aleksej Gromow, die Kontrolle der großen landesweiten Medien und insbesondere der staatlichen Fernsehkanäle fort. Gromow gilt als „Chef der russischen Staatspropaganda“. Er begann seine Karriere als Diplomat und Chef des Pressedienstes des ersten russischen Präsidenten Boris Jelzin. Später wurde er Pressesprecher Putins und beteiligte sich an der Zerschlagung der Medienholdings kremlkritischer Oligarchen. Seit 2008 ist er als erster stellvertretender Leiter der Präsidialverwaltung für das Fernsehen und die Pressedienste der Exekutive zuständig. Der verantwortungsbewusste Gromow wurde bekannt für die Aussage: „Der Scheiß funktioniert nicht, wenn man nicht alles selbst macht.“ Gewöhnlich donnerstags würden sich die Leiter der staatlichen und formal privaten Fernsehsender sowie die Chefredakteure überregionaler Zeitungen wie Kommersant in Gromows Büro versammeln, berichteten ehemalige Teilnehmer dieser Konferenz der russischen investigativen Journalistenplattform Projekt. Der Artikel dokumentiert, wie alle bedeutenden Medien, inklusive der Auslandsmedien RT und Rossija Segodnja, von der Präsidialverwaltung gelenkt und kontrolliert werden. Gromow bespricht mit den Chefredakteuren die aktuellen Ereignisse und gibt Anweisungen, wie über diese zu berichten ist. Bei unerwünschten Themen heißt es: „Das kann man ignorieren.“ Im Inland richtet sich die Berichterstattung der Staatsmedien vor allem gegen die Opposition und Andersdenkende. Mit
gezielten Falschmeldungen werden diese diskreditiert.

Gromow spielt auch eine zentrale Rolle bei der Auslandsberichterstattung. Er hat den Auslandssender RT im Jahr 2005 mit dem damaligen Informationsminister Michail Lesin gegründet und die Ernennung von Margarita Simonjan als Chefredakteurin von RT und Rossija Segodnja
durchgesetzt. Simonjan nimmt ebenfalls an den wöchentlichen Besprechungen im Kreml teil und ist eine wichtige Vertraute Gromows. Die Chefredakteurin, ihr Ehemann und ihre Schwester leiten wichtige PR-Projekte für den russischen Staat. Gromow befindet sich wie Surkow auf der Sanktionsliste der EU. Zur Begründung heißt es in dem EU-Dokument: „Als erster stellvertretender Stabschef der Präsidialverwaltung ist er verantwortlich für Anweisungen an russische Medienorgane, eine positive Haltung gegenüber den Separatisten in der Ukraine und der Annexion der Krim einzunehmen, womit er die Destabilisierung der Ostukraine und die Annexion der Krim unterstützt.“

Kreml
Was hinter den Mauern des Kreml passiert, erfährt man meist nur durch Whistleblower – oder im Fall der Surkow-Affäre durch einen Hackerangriff.

Die Strategien für die neue Phase des Informationskrieges lagen spätestens seit Anfang 2013 auf den Tischen der politischen Entscheidungsträger Russlands. So sprach der Generalstabschef Walerij Gerasimow von der wachsenden Bedeutung nichtmilitärischer Mittel, „die in einer Reihe von Fällen wesentlich effektiver sind als militärische Mittel. Sie werden durch verdeckte militärische Maßnahmen ergänzt, unter anderem durch Maßnahmen der nachrichtendienstlichen Abwehr, Spezialkräfteoperationen und die Nutzung des Protestpotenzials der Bevölkerung“. Bei den nichtmilitärischen Mitteln nehmen die Medien eine besondere Rolle ein. Im Ausland richtet sich die Berichterstattung vor allem gegen die USA, deren Weltmachtstatus Russland angreift. Der Fernsehsender RT solle das „Monopol der angelsächsischen Medien brechen“, so Putin. Die Internationale Informationsagentur Rossija Segodnja, neben RT die zweite Säule der russischen Auslandsberichterstattung, sieht ihre Aufgabe ähnlich.

Die russischen Auslandsmedien wollen eine in ihrem Sinne „objektive Wahrnehmung in der Welt“ erreichen. Die Beeinflussung der öffentlichen Meinung im Ausland wird dabei offiziell als Ziel genannt, wie es in der Konzeption der Außenpolitik Russlands von 2013 heißt. Führende Medien-Vertreter betonten, dass sie sich in einem Informationskrieg befinden: Die Chefredakteurin des Auslandsfernsehens RT Margarita Simonjan bezeichnete ihren Sender als „Verteidigungsministerium“ des Kremls, als „eine Waffe wie jede andere auch“.

Der hybride Krieg wird von der Präsidialverwaltung in Moskau federführend organisiert und kontrolliert. Einen detaillierten Einblick in das operative Geschäft verschaffen die 2016 und 2017 von der ukrainischen Hackergruppe Cyber Alliance geleakten Mails des persönlichen Beraters des Präsidenten Wladislaw Surkow. Er gestaltete lange Zeit die Innenpolitik Russlands maßgeblich und gilt als Schöpfer der „gelenkten Demokratie“. Der Chef-Ideologe und „Vater der russischen PR“ galt in den 2000er Jahren als zweitmächtigster Mann im Staat. Er stellte die führenden Medien Russlands unter staatliche Kontrolle. Seit 2014 ist Surkow Putins persönlicher Berater für die besetzten Gebiete in Georgien und der Ukraine. Der in Tschetschenien geborene Polittechnologe organisierte maßgeblich die Invasion Russlands in der Ostukraine. Die militanten Separatisten kontrolliert er telefonisch und persönlich, wie ein Foto von Surkow im Kreis der Donbass-Kämpfer dokumentiert. Der „Architekt der russischen Ukraine-Politik“ nimmt an den Verhandlungen im Normandie-Format teil und reist mit Putin ins westliche Ausland, obwohl er auf der Sanktionsliste der EU und der USA steht. Die Mails Surkows und die seiner Mitarbeiter sind nach Veröffentlichung in den Medien als „Surkov Leaks “bekannt geworden. Die Echtheit dieser Mails wurde von den Korrespondenz-Partnern bestätigt und von dem Digital Forensic Research Lab des amerikanischen ThinkTank Atlantic Council überprüft. Die hybride Kriegsführung knüpft an die schon zu Sowjetzeiten bekannten „aktiven Maßnahmen“ der politischen Kriegsführung an. Dabei versuchte der KGB, durch gezielte Aktionen den Feind vor der Weltöffentlichkeit in Misskredit zu bringen. Desinformation wurde schon damals verbreitet, neu ist der Einsatz moderner Technologien. Die geleakten Mails zeigen detailliert das Vorgehen zur Destabilisierung der Ukraine: Russische Mitarbeiter des Militärgeheimdienstes GRU und lokale pro-russische Akteure werden in Stellung gebracht. Mit dem Einsatz von Medien, Provokateuren, bezahlten Demonstranten und gewaltsamen Aktionen wurde so der gesamte Südosten der Ukraine destabilisiert. Ziel war die Balkanisierung der Ukraine, ein Zerfall in mehrere Landesteile. Dauerhaft konnten allerdings nur die beiden „Volksrepubliken“ Luhansk und Donezk im Donbass der russischen Kontrolle unterworfen werden.