UKRAINE – Aktivisten halten Plakate mit Bildern des ukrainischen Filmregisseurs Oleh Sentsov. Aufnahmen während einer Kundgebung zur Unterstützung von Sentsov und anderen ukrainischen politischen Häftlingen in Russland; vor der russischen Botschaft in Kiew, 13. Juni 2018.

Von Polygraph

Sergei Ilyin

Radio Sputnik

Einige der Menschen, die angeblich aus politischen Gründen unterdrückt wurden und deren Freilassung Washington fordert, wurden wegen schwerer Verbrechen wie Terrorismus oder Mord verurteilt. Ihre Schuld wurde vollständig und erschöpfend bewiesen.“

Falsch

Die drei  vom Autoren genannten Prozesse sind höchst verdächtig.

Am 18. Juni führte das US-Außenministerium eine Pressekonferenz über „zu Unrecht inhaftierte“ Personen in der Russischen Föderation durch.

„Wir sind besonders besorgt über das Wohlergehen von vier zu Unrecht inhaftierten Ukrainern, die sich derzeit im Hungerstreik befinden – Oleh Sentsov, Stanislav Klykh, Oleksandr Shumkov und Volodymyr Balukh“, heißt es in der Mitteilung.

Es werden auch diejenigen erwähnt, die wegen religiöser Überzeugungen inhaftiert waren, wie die Zeugen Jehovas.

Am nächsten Tag veröffentlichte die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA Novosti eine vernichtende Antwort von Sergej Iljin, einem Mitarbeiter von Radio Sputnik, einem Medium der russischen Regierung. In dem Meinungsartikel behauptete Iljin, dass einige der vom US-Außenministerium genannten Personen wegen „schwerer Verbrechen“ wie „Terrorismus“ und „Mord“ verurteilt wurden. Allerdings nannte er nur drei ukrainische Bürger, die auch vom Außenministerium benannt wurden – Oleh Sentsov, Stanislav Klykh und Volodymyr Balukh.

Oleh Sentsov
Oleh Sentsov

Sentsov und Balukh wurden des „Terrorismus“ in Russland angeklagt und verurteilt, während Klykh wegen Kämpfen auf der Seite tschetschenischer Separatisten im ersten Tschetschenienkrieg 1994-1996 verurteilt wurde. In allen drei Fällen wurden die vorgelegten „Beweise“ jedoch von internationalen Beobachtern und Menschenrechtsgruppen in Frage gestellt, viele von den Beobachtern haben die Fälle als eindeutig politisch motiviert bezeichnet.

Die Kharkiver Menschenrechtsgruppe (KhPG), eine international anerkannte Menschenrechtsorganisation, die 1998 mit dem EU/USA-Preis für Demokratie und Zivilgesellschaft ausgezeichnet wurde, hat umfangreich über die Fälle dieser drei Gefangenen berichtet.

Oleh Sentsov wurde im Mai 2014 vom russischen Inlandsgeheimdienst (FSB) auf der besetzten Krim verhaftet. Er wurde drei Wochen lang in Isolationshaft gehalten, während er wie er selber sagt, von seinen FSB-Fängern gefoltert wurde. Sentsov und drei weitere Ukrainer, mit denen er keinerlei vorherige Verbindung hatte, wurden der Zugehörigkeit zur rechtsradikalen Organisation „Rechter Sektor“ und angeblich geplanten Terroranschlägen gegen Infrastrukturobjekte auf der Krim beschuldigt.

KHPG sagt, dass das FSB keine konkreten Beweise dafür lieferte, dass Sentsov oder einer der anderen Männer in terroristische Aktivitäten verwickelt waren oder Terroranschläge planten. Und ohne Beweise beschuldigten sie Sentsov und die anderen Angeklagten eimes Molotow-Cocktail-Angriffs auf ein leeres Büro einer russischen Partei.

Sentsov wurde durch erzwungene Geständnisse von zwei anderen Männer zu 20 Jahren Haft verurteilt, so die KHPG. Einer von ihnen weigerte sich, während des Prozesses vor Gericht auszusagen, während der andere vor Gericht stand und seine Aussage offen zurückzog, mit der Behauptung, es sei unter Zwang durch das FSB erpresst worden.

Volodymyr Balukh wurde im Dezember 2016 verhaftet. Die Verhaftung erfolgte kurz nachdem er eine Plakette an seinem Haus angebracht hatte, die den Maidan-Anhängern gewidmet war, die im Februar 2014 durch Scharfschützenfeuer auf dem Maidan getötet wurden. Er hatte eine ukrainische Flagge aus seinem Haus gehangen und Forderungen der lokalen russischen Behörden abgelehnt, die Plakette und die Flagge abzuhängen. Die Polizei durchsuchte Balukhs Grundstück und behauptete, 90 Schuss Munition und einige kleinere Mengen Sprengstoff gefunden zu haben. Weder die Munition noch der Sprengstoff hatten Balukhs Fingerabdrücke. Darüber hinaus wurde die Munition bis in die russische Altai-Region zurückverfolgt und 1989 hergestellt. Weitere Details des Falles machen Balukhs Verurteilung ebenso höchst fragwürdig.

Ukrainian activist Volodymyr Balukh, 15 May 2018
Ukrainischer Aktivist Volodymyr Balukh, 15. Mai 2018

Stanislav Klykh, wurde zusammen mit einem anderen Ukrainer Mykola Karpyuk, beschuldigt, auf der Seite von tschetschenischen Separatisten während des Ersten Tschetschenienkriegs gekämpft zu haben. Außerdem soll er angeblich Gewalttaten gegen 30 russische Soldaten begangen haben. Beide Männer wurden 2014 in Russland verhaftet; beide sind noch nie in ihrem Leben in Tschetschenien gewesen, berichtet KHPG.

Stanislav Klykh
Stanislav Klykh

Klykh wurde zehn Monate lang in russischer Isolationshaft gehalten und wegen der Aussage eines anderen ukrainischen Staatsbürgers verurteilt, der bereits eine 23-jährige Haftstrafe in Russland verbüßt. Von KHPG zitierte Dokumente und Augenzeugenberichte bestätigen, dass zu der Zeit, als er angeblich in Tschetschenien kämpfte, Klykh tatsächlich in der Ukraine war und Prüfungen ablegte, während Karpyuk damit beschäftigt war, sich um seine todkranke Mutter zu kümmern.

Dies sind die drei Fälle, die Sputnik-Autor Iljin ausdrücklich in seiner Antwort an das US-Außenministerium erwähnt. Im Gegensatz zum Außenministerium erwähnte er nicht die Zeugen Jehovas, die in Russland inhaftiert oder verfolgt wurden, nachdem der Oberste Gerichtshof Russlands ihre Kirche und ihre Literatur für „extremistisch“ hielt.

Die KHPG, die durchgehend zitiert wird, untersucht Menschenrechtsfragen, die nicht nur Russland, sondern auch die ukrainischen Anliegen betreffen.

Von Polygraph