Artikel im Abschnitt ‚Kontext‘ sind keine Fälschungen. Wir veröffentlichen sie, um unseren Lesern einen besseren Einblick in die Techniken, Methoden und Praktiken der russischen Regierung in ihrem Informationskrieg zu geben.


Von EU vs Disinfo

Jeder tut es, also wo liegt das Problem?“

Die Vorstellung, dass westliche Länder selbst staatlich organisierte Desinformationskampagnen durchführen, ist eine beliebtes Verteidigungsmuster von Pro-Kreml-Medien.

In einem Versuch, Beweise für diese Behauptung zu liefern, beschloss der russische Staatsfernseher Perwy Kanal die 77. Brigade der britischen Streitkräfte vorzustellen. Die 77. Brigade, die das Vereinigte Königreich gegen verschiedene Arten von hybriden Bedrohungen aus der Kaserne in Hermitage, Berkshire, verteidigt, war das Kernstück der Reportage vom Perwy.

Der Bericht, der am 22. November in der Abendnachrichtensendung Wremja ausgestrahlt wurde, endete jedoch eher mit nicht nur einem, sondern insgesamt drei Zielen:

Die Journalisten des unabhängigen russischen Fernsehsender Doschd haben die Narrative ihrer (von der Regierung kontrollierten) Kollegen in Frage gestellt:

  1. Als Beispiel für den Bericht über die 77. Brigade zeigte der Perwy Kanal britische Militäreinheiten bei der Arbeit. Aber: Das Material ist einem Rekrutierungsvideo der britischen Armee entnommen und zeigt nicht die 77. Brigade, sondern eine Royal Signals-Einheit, wie dies auch von der Daily Mail festgestellt wurde. Um das Filmmaterial über die Brigade geheimnisvoller wirken zu lassen, verwischte der Perwy Kanal die Gesichter der Soldaten und Offiziere im Video. Im ursprünglichen Rekrutierungsvideo wurden die Gesichter aber komplett offen und unverpixelt gezeigt (siehe die obige Abbildung und den Bericht von TV Doschd bei 03:34 Min.).
  2. Der Bericht von Perwy Kanal basiert weitesgehend auf einem Wired-Artikel über die 77. Brigade, auf den auch der Perwy Kanal verweist. Doschd betont jedoch, dass die Behauptung von Perwy Kanal, dass die 77. Brigade „gefälschte Nachrichten“ produziert und verbreitet, die z.B. mit dem Abschuss des Malaysia-Airlines-Flug MH17 oder Chemie-Angriffen in Syrien in Verbindung stehen, im Bericht von Wired nicht vorkommen.
  3. Schließlich hat Doschd untersucht, wie der Perwy Kanal, auf eine Warnung der britischen Armee reagierte. Die britische Armee hatte seine Angestellten vor einem Gespräch mit den Reportern des russischen Staatssenders gewarnt, nachdem diese Videoaufnahmen vor der Kaserne der 77. Brigade für die Nachrichtensendung Wremja, aufgenommen hatte. Doschd kritisiert ihre Kollegen dafür, dass sie diese Warnung in der Nachrichtensendung als eine große nationale Sensation überbewerten und aufbauschten („sogar der Brexit ist in den Hintergrund getreten“berichtete der Perwy Kanal, in einem Folgebeitrag nach der Nachrichtensendung). Der Perwy Kanal bezeichnet die Warnung gar als Verletzung der Rechte des Korrespondenten, obwohl er tatsächlich, zumindest bisher, nicht offiziell von britischen Behörden angeklagt wurde.

Doschd beendet seinen Bericht über die Nachricht von Perwy Kanal mit der Erinnerung, dass „manchmal verzweifelte Gegner der britischen Krone, die für russische staatliche Fernsehsender arbeiten, selbst zu Subjekten Ihrer Majestät werden“ – eine Tatsache, die wir auch vor einer Woche zur Kenntnis genommen haben.


Von EU vs Disinfo