Entgegen der Aussagen russischer Medien, deuten sehr viele Tatsachen darauf hin, dass russische Truppen den Bahnhof von Kramatorsk selbst angegriffen haben und dabei weit mehr als 50 wartende Menschen getötet und über 300 Menschen verletzt haben. Entgegen der Behauptungen des russischen Verteidigungsministeriums ist das sowjetische Raketensystem Tochka-U noch immer bei den russischen Armee im Einsatz. Auch die Analyse der Flugbahn der Tochka-U-Rakete beweist, dass die Rakete von dem Gebiet abgefeuert worden ist, in dem sich russische Armee und Kräfte der selbsternannten Volksrepubliken „L/DVR“ befinden.

Am 8. April wurden zwei Raketenangriffe auf den Bahnhof Kramatorsk, der Regionalhauptstadt des Oblast Donezk, verübt. Es wurden 50 Tote, darunter 5 Kinder, und 300 Verletzte gemeldet. Die Menschen wollten am Bahnhof auf ihre Evakuierung warten, als die Raketen sie trafen. Russische Medien und einige Nutzer sozialer Medien machten die Ukraine für den Beschuss des Banhofes verantwortlich und erklärten, dass die bei dem Angriff verwendete Tochka-U-Rakete angeblich nicht mehr im Dienst der Russischen Föderation stehe. Dies stimmt aber nicht.

Screenshot – ru.sputnik.kg

Kreml-Propagandisten erklärten, der Angriff auf Kramatorsk sei eine weitere „Provokation durch Kyjiw„, ein „neues Butscha“ für die westlichen Verbündeten. „Offensichtlich wurde der Tochka-U-Angriff auf Kramatorsk für den heutigen Besuch von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Diplomatiechef Josep Borrell in Kyjiw arrangiert. Sie nutzen ihn als Hintergrund für Verhandlungen und um ihre Forderungen zu Sanktionen und Waffenlieferungen vorzubringen„, berichteten sehr zynisch russische Medien.

Das russische Verteidigungsministerium beschuldigte die Ukraine ebenfalls der Provokation und erklärte, dass „die russischen Streitkräfte am 8. April in der Stadt Kramatorsk keinerlei Schießübungen durchgeführt haben und dass die Tochka-U-Raketen nur von den ukrainischen Streitkräften eingesetzt wurden“. Das russische Verteidigungsministerium teilte außerdem mit, dass die Rakete angeblich von der westlich von Kramatorsk gelegenen Stadt Dobropillya aus gestartet wurde. Eine Stadt knapp 50 km westlich von Kramatorsk, welche von der ukrainischen Armee kontrolliert wird.

Screenshot – twitter.com/mod_russia

Dies ist jedoch nicht der Fall. Zahlreiche Fakten deuten darauf hin, dass das sowjetische taktische Raketensystem Tochka-U trotz der Behauptungen des russischen Verteidigungsministeriums tatsächlich weiterhin in der Russischen Föderation im Einsatz ist. Das Conflict Intelligence Team, eine unabhängige Gruppe von Militärexperten, stellte fest, dass Russland seit Anfang März aktiv Tochka-U-Raketen anstelle der Iskander einsetzt. Und am 29. März 2022 registrierte die belarussische Gayun-Gemeinschaft die Bewegung eines Militärkonvois von Tochka-U-Raketen mit taktischen V-Marken, die von der Russischen Föderation eingesetzt werden, nördlich der ukrainischen Grenze in Belarus. Es gibt weitere ähnliche Beweise.

Des weiteren gibt es selbst in russischen Medien sehr viele Hinweise auf die weitere Nutzung des Tochka-U-Komplexes durch russische Streitkräfte.

Screenshot – 360tv.ru

Das Conflict Intelligence Team hat zudem festgestellt, dass das Raketenbruchstück der Tochka-U-Rakete in nordöstlicher Richtung liegt, was bedeutet, dass die Rakete aus dem Westen, Südwesten oder Süden gekommen sein könnte. Das CIT weist darauf hin, dass sich in der Reichweite der Tochka-U-Rakete (120 km) in süd-südwestlicher Richtung (z.B. südlich von Ugledar und in der Nähe von Welyka Novosilka) Stellungen russischer und „separatistischer“ Kräfte befinden, was bedeutet, dass der Start durchaus von dort aus erfolgt sein könnte. Auch das russische Verteidigungsministerium selbst hat wiederholt über Angriffe auf Bahnhöfe westlich von Kramatorsk berichtet.

Screenshot – t.me/CITeam

Um 10:25 Uhr erschienen auf pro-russischen Webseiten Videos, die den Start von zwei Raketen zeigten. Das Video wurde angeblich in Schakhtarsk gedreht, das aktuell von der sogenannten Donezker Volksrepublik (DVR) besetzt ist. Der Bahnhof in Kramatorsk wurde von zwei Raketen getroffen wurde. Es bleibt abzuwarten, ob das Video tatsächlich den Abschuss der Tochka-U-Rakete zeigt, die in Kramatorsk einschlug.

Am Vortag sagte ein Vertreter der ukrainischen Eisenbahngesellschaft Ukrzaliznytsya, Oleksandr Kamyshyn, sagte, dass drei ukrainische Evakuierungszüge infolge eines Angriffes auf die Bahnstrecke bei Barvinkove aufgehalten worden seien.

Auch am Vorabend des Beschusses des Bahnhofs schrieben zahlreiche russische Telegram-Kanäle, die die Aggression gegen die Ukraine unterstützen, dass die russischen Streitkräfte „eine Ansammlung von ukrainischen Kämpfern“ und „Waggons mit Waffen“ auf dem Bahnhof von Kramatorsk beschießen würden. Einige der Blogs „empfahl“ den Einheimischen sogar, den Bahnhof am Tag vor der Tragödie nicht zu besuchen. Solche Nachrichten erschienen unter anderem in den Telegram-Kanälen „Novorossiya militia reports“, „Silowiki“ und der für Desinformation schon seit 2014 bekannten „ANNA-NEWS“-Kanal.

Nach Angaben von russischen oppositionellen Medium The Insider wurden alle diese Veröffentlichungen nach der Angriff auf Kramatorsk entweder gelöscht oder nachbearbeitet. Dennoch sind viele Screenshots von den Berichten über den bevorstehenden Angriff noch online zu finden.

Screenshot – t.me

Einige Internetnutzer wiesen auch darauf hin, dass russische Medien, insbesondere die Nachrichtenagentur RIA Novosti, ihre Nachrichten, in denen sie die ukrainische Armee für den Angriff auf den Bahnhof in Kramatorsk beschuldigten, noch vor der Veröffentlichung der ersten Berichte über die Tragödie veröffentlichten. 

Скриншот – facebook.com

Auf dem Raketentrümmerteil ist auch die Aufschrift „Für Kinder“ zu sehen. Einige Journalisten weisen darauf hin, dass dies der Slogan ist, den die Kreml-Propaganda regelmäßig verwendet, um die so genannte „Spezialoperation“ zu popularisieren und zu rechtfertigen. Der Slogan spielt auf angeblich durch ukrainsiche Truppen getötete Kinder im von Russland besetzten Donbas an.

Screenshot – twitter.com/InfoResist

Es besteht auch kein Zweifel daran, dass der Raketenangriff beabsichtigt war. Die Tochka-U-Raketen werden während des gesamten Fluges geleitet.

Kontext: Im Internet gibt es Videos vom Bahnhof in Kramatorsk vom Vorabend des Angriffs, die zeigen, wie die Menschen massenhaft aus der Region fliehen. In einem der Videos von den Folgen des Angriffs ist inmitten der Trümmer ein Zelt mit den Utensilien der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (giz) zu sehen, die von Deutschland zur Koordinierung der Ausreise von Flüchtlingen bereitgestellt wurde. All dies deutet darauf hin, dass es sich bei den Bahnhof in Kramtorsk definitiv nicht um eine militärische Einrichtung handelt. Dort vor Ort warteten viele Menschen auf Evakuierungszüge bzw. Busse. Die stellvertretende ukrainische Ministerpräsidentin Iryna Wereschuk hatte am Vortag die Bewohner von Luhansk, Donezk und einem Teil der Region Charkiw angesichts der zunehmenden Kämpfe in den Regionen aufgefordert, sich selbst in sichere Regionen der Ukraine, weiter westlich, zu evakuieren.

Screenshot – twitter.com/JulianRoepcke

Zuvor verbreiteten die Kreml-Medien bereits die falsche Information, dass die massenhaften zivilen Opfer in Butscha und der Region Kyjiw inszeniert waren. StopFake berichtete darüber umfassend.