Blinken sagte nicht, dass die Ukraine für die Vereinigten Staaten zu einem ,,neuen Afghanistan“ geworden sei oder dass das Ende des Einsatzes in Afghanistan auf die ,,Vorbereitung eines Krieges mit Russland“ zurückzuführen sei. Diese Thesen sind von Medien frei erfunden und beruhen auf einer Fehlinterpretation der Worte des US-Außenministers. Anthony Blinken erklärte lediglich, dass der Rückzug der USA aus Afghanistan in einer bestimmten Perspektive betrachtet werden sollte. Insbesondere die Beendigung des Afghanistan-Einsatzes ermöglicht es den Vereinigten Staaten und ihren Partnern, die Ukraine im Kampf gegen die russische Aggression erheblich zu unterstützen.

,,Washington hat zugegeben, dass die Ukraine für die Vereinigten Staaten zu einem neuen Afghanistan geworden ist“ – mit solchen Schlagzeilen verbreiteten russische Medien die Nachricht, dass US-Außenminister Anthony Blinken angeblich zugegeben hat, dass die Vereinigten Staaten bereits zu Beginn der Präsidentschaft Bidens mit den Vorbereitungen für einen Krieg mit Russland begonnen haben und beschlossen haben, ,,die Afghanen um Kiews Willen sich selbst zu überlassen“. 

,,Außenminister Anthony Blinken machte bei einem Briefing deutlich, dass der überstürzte Abzug der US-Truppen aus Afghanistan im Frühjahr 2021 darauf zurückzuführen sein könnte, dass Washington Informationen über Russlands Vorbereitungen für eine spezielle Militäroperation in der Ukraine erhalten hat, die schließlich erst im Februar 2022 begann“, schreibt die russische Ausgabe MK.ru.

Screenshot – tsargrad.tv

Blinken hat sich auf seiner Pressekonferenz in Washington am 22. Dezember 2022 jedoch nicht so geäußert – russische Medien haben die Worte des US-Außenministers stark entstellt und aus dem Zusammenhang gerissen. 

Auf die Frage eines Journalisten, ob die ,,Lehren“ aus dem Truppenabzug aus Afghanistan für die Vereinigten Staaten in ihren Beziehungen zu Russland und China von Nutzen seien, antwortete Anthony Blinken, dass man diese Frage aus der Perspektive betrachten müsse. Er betonte, dass ,,Lehren“ gezogen worden seien und vor der Entscheidung zum Abzug ,,lange“ und ,,intensive“ Konsultationen mit Partnern und Verbündeten zu Afghanistan stattgefunden hätten. Gleichzeitig stellte der US-Außenminister fest, dass es Bidens Team gelungen sei, ,,den längsten Krieg der USA zu beenden“. 

Der US-Außenminister betonte, dass der Abzug der US-Truppen aus Afghanistan nicht zu einer Flüchtlingswelle oder gar zu mehr Terrorismus führe, wie einige Experten ,,vorausgesagt“ hätten. Wenn wir das Ende des Einsatzes in Afghanistan aus heutiger Sicht betrachten, haben sich auch die Möglichkeiten für die Vereinigten Staaten und ihre Partner verbessert, die Ukraine in erheblichem Umfang zu unterstützen.

,,Was den Krieg Russlands gegen die Ukraine anbelangt, so glaube ich, dass es die Unterstützung, die wir der Ukraine im Kampf gegen die russische Aggression leisten konnten und die andere leisten können, erheblich erschwert hätte, wenn wir noch in Afghanistan wären“, gab Anthony Blinken an.

Screenshot –  state.gov

Wie wir an den Textauszug sehen, machte Blinken keine Aussagen, dass die Ukraine für die Vereinigten Staaten zu einem ,,neuen Afghanistan“ geworden sei oder dass das Ende der Mission mit ,,Kriegsvorbereitungen mit Russland“ zusammenhänge. Diese Thesen sind frei erfunden und beruhen auf einer Fehlinterpretation der Worte des US-Außenministers. 

Die Behauptung der Propagandisten, der Abzug aus Afghanistan zeige, dass Biden seit Beginn seiner Präsidentschaft einen Krieg mit Russland vorbereite, ist völlig absurd. Seit 2011 haben die Vereinigten Staaten regelmäßig erklärt, dass sie planen, die Operation Enduring Freedom (die von den Vereinigten Staaten als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 gestartet wurde – Anm. d. Red.) zu beenden. Am 29. Februar 2020 unterzeichneten die Vereinigten Staaten und die Taliban ein Abkommen, das so genannte Doha-Abkommen, das unter anderem den Abzug aller regulären US- und NATO-Truppen aus Afghanistan vorsieht. Die Regierung Donald Trump hat einer ersten Reduzierung der Truppen von 13.000 auf 8.600 bis Juli 2020 zugestimmt, gefolgt von einem vollständigen Abzug bis zum 1. Mai 2021, sofern die Taliban ihre Verpflichtungen erfüllen. Die Regierung Biden hat ihre Absicht bekräftigt, die US-Truppen aus Afghanistan abzuziehen, und lediglich den Termin für den Abzug vom 1. Mai auf den 11. September 2021 verschoben. US-Außenminister Anthony Blinken erklärte, dass die Entscheidung, die Operation zu beenden, getroffen wurde, um die Ressourcen auf China und die COVID-19-Pandemie zu konzentrieren. 

Der Washington Post zufolge haben hochrangige US-Geheimdienstler, Militärs und Diplomaten überzeugende Beweise dafür erhalten, dass Russland eine umfassende Invasion in der Ukraine erst im Oktober 2021, d. h. nach dem Abzug des Militärkontingents aus Afghanistan, vorbereiten wird. Diese Tatsache widerlegt die Behauptung der Propagandisten, dass das Ende des Einsatzes in Afghanistan angeblich mit dem russischen Einmarsch in der Ukraine zusammenhängt.  

Zuvor hat StopFake in wiederholt das Propagandanarrativ widerlegt, wonach die Vereinigten Staaten angeblich zuerst Russland angegriffen hätten (oder einen Angriff vorbereitet hätten): Stoltenberg ,,sagte“, die NATO habe sich seit 8 Jahren ,,auf einen Krieg mit Russland vorbereitet“, Fake: Deutschland ,,enthüllt“, wie die USA Kyjiw auf einen Konflikt mit Russland vorbereiten“, Fake: Die USA haben Russland wegen der Krim ,,den Krieg erklärt“.