Eine der beliebtesten russischen Propaganda-Mantras ist, dass die Ukraine immer nur verlieren kann, wenn sie sich der EU annähert. Dieses Thema wird oft propagiert und in verschiedenen Versionen immer wieder neu aufgekocht. Eine der aktuellsten Versionen dieser Geschichte hat seinen Ursprung bei einer Pressekonferenz des ehemaligen ukrainischen Präsidenten Leonid Kutschma. Dieser gab einen Redebeitrag ab, der von russischen Medien komplett aus dem Zusammenhang gerissen wurde.

Website Screenshot rg.ru

Katastrophale Konsequenzen für ukrainische Wirtschaft wegen europäischer Integration, Kiew feindlich gegenüber der EU, die EU zwingt die Ukraine in die Knie und leistet ihr keinerlei Hilfe. Das waren die generellen Stimmen der russischen Berichterstattung zu Kutschmas Rede. Dessen Konferenzrede hatte den Titel: „Die Dämmerung Europas: historische Legitimität des zivilisatorischen Fortschritts” und wurde in Kiew, der ukrainischen Hauptstadt abgehalten

Die folgenden russischen Medien berichteten fehlerhaft über Kutschmas Rede NTV, REN TV, TASS, Komsomolskaya Pravda, der Kanal des russischen Verteidigungsministeriums Zvezda, Life.ru, Vesti, Sputnik, Lenta.ru waren führend in der Fake-Berichterstattung..

Kutschmas gesamte Rede vom ukrainischen Kanal 112 übertragen. Das gesamte Video ist vollständig auf Youtube verfügbar.

Website Screenshot 112.ua

Russische Medien wählten Kutschmas emotionalste Aussagen über die Europäische Union, ignorierten aber in ihrer Berichterstattung komplett seine Aussagen, warum die Ukraine und Russland nicht zu einer Einigung im Donbas-Krieg kommt. Des Weiteren schenkten sie auch nicht Kutschmas Aussagen Aufmerksamkeit, wonach sich große Mengen an schweren Waffen in den temporär okkupierten Gebieten, im Donbas befinden und die von Russland unterstützen Separatisten regelmäßig Waffenlieferungen aus Russland erhalten, die dabei aber immer als humanitäre Hilfen deklariert werden.

Website Screenshot @EUDelegationUkraine

„Europa zwingt die Ukraine in die Knie”- die Phrase auf die sich russische Medien stürzten, wurde zu einer schreienden Überschrift aller Fake-Geschichten und wurde dabei komplett aus dem Zusammenhang gerissen. Kutschma spielte dabei darauf an, dass die EU der Ukraine Bedingungen diktiere, ohne dabei konkret Hilfe zu leisten. Insbesondere behauptete der Ex-Präsident, dass Europa die Ukraine zwänge, Holz zu exportieren, was wiederum zum Nachteil der ukrainischen Umwelt sei.

Inzwischen versichert die Europäische Union den Ukrainern, dass ihre Politiken und die Mechanismen der europäischen Integration keineswegs zur Abholzung von ukrainischen Wäldern beitragen, ganz im Gegenteil: EU-Politiken sollen der Ukraine dabei helfen der Abholzung von Wäldern entgegen zu treten und eine nachhaltige Forstwirtschaft zu stimulieren. Das Büro der EU-Kommission in Kiew gibt an, dass es trotz eines nationalen Holz-Exportmoratoriums weiterhin illegal Abholungen und den Schmuggel von Holz gäbe. Daran sei aber nicht die EU schuld.

Präsident Kutschmas Rede war in der Tat geprägt vom Schicksal und Schatten für die ukrainische Wirtschaft. Die einzigen Industrien, die nach Kutschma verbleiben, sind die Metallurgie, die chemische Industire sowie die Landwirtschaft. Seine Behauptungen sind jedoch weit von der Wahrheit entfernt.

Während die Ukraine wegen der Krim-Annexion und dem Krieg im Donbas hart getroffen wurde, steigt das ukr. Wirtschaftswachstum leicht an. Nach Daten der World Bank und der ukrainischen Nationalbank wächst das BIP langsam, die Inflation ist gesunken und Investitionen kehren allmählich in die Ukraine zurück. Die Diagnose der World Bank besagt, dass die Ukraine sich„ wirtschaftlich stabilisiert hat, sich gleichzeitig aber langfristigen strukturellen Strukturreformen an verschiedenen Fronten gegenüber konfrontiert sieht. Diese Reformen sind aber entscheidend um weitere Wachstumschancen zu beschleunigen, damit greifbare Vorteile für die Bevölkerung spürbar werden.”

Geht man nach dem ukrainischen Wirtschaftsministerium, steigen die Wirtschaftsexporte des Landes an, insbesondere in die EU. Verglichen mit 2015, stiegen 2016 die Exportzahlen für Weizen, Stahl, Möbel und Lebensmittel zur EU um fast 4 Prozent.