Der Kreml behauptet, dass bei den russischen Präsidentschaftswahlen mehr Krimtataren als bei allen Wahlen unter ukrainischer Herrschaft zuvor abgestimmt haben. Die Wahlbeteiligung der Krimtataren habe 2018 jede Zahl übertroffen, die vor der russischen Invasion und Annexion der Halbinsel im Jahr 2014 stattgefunden habe.

Ein Mitglied des Krimparlaments der russischen Besatzungsbehörden und stellvertretender Vorsitzender des Nationalitätenausschusses, Ruslan Balbek gab bekannt, dass 81.000 Krimtataren, also mehr als 40% der Bevölkerung der Krimtataren, bei den Präsidentschaftswahlen am 18. März gewählt hätten. Herr Balbek behauptet, dass unter ukrainischer Herrschaft nur 60.000 bis 70.000 Krimtataren an Wahlen teilgenommen hätten.

Screenshot ukraina.ru
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„Mit dieser Teilnahme können wir sagen, dass wir eine Rekordaktivität der Krimtataren auf der russischen Krim erreicht haben“, sagte Balbek. Er behauptet auch, dass 91,5% der Krimtataren, die gewählt haben, für Wladimir Putin gestimmt haben. Was die Frage aufwirft, woher er dies weiß, da die Stimmzettel doch angeblich geheim sein sollen…  

Die Medschlis des Krimtatarenvolkes, die offizielle Vertretungsorgan der Krimtataren, bestreiten solche Behauptungen, sagte der Medschlis Vorsitzende Refat Chubarov. Nach ihm haben mehr als 90% der auf der annektierten Halbinsel lebenden Krimtataren die Wahlen vom 18. März ignoriert. Nachrichten aus Sozialen-Netzwerken von Krim-Bewohnern spiegeln tatsächlich eine sehr geringe Wahlbeteiligung wider, die sich einzig auf Zwang und Einschüchterung derjenigen konzentriert, die sich geweigert haben, zu wählen.

Ukraina.ru, Vzglyad, RIA Novosti, Federalnoye Agentstvo Novostey, Politnavigator, Vestnik Kavkaza, Informburo, Moskovskyi Komsomolets und andere russische Medien verbreiteten diese falsche Geschichte.

Screenshot ru.krymr.com

Im Gespräch mit Radio Liberty’s Programm „Krim Realitäten“ gibt der Vorsitzender der Medschlis Refat Chubarov an, dass die Menschen auf der Krim gezwungen wurden wählen zu gehen. Die Gesamtwahlbeteiligung am Ende des Tages lag bei etwa 30%, sagte Chubarov. Krim-Tatar-Aktivist Zair Smedlyayev wies auch auf die geringe Beteiligung der Krim-Tataren hin; nicht mehr als 10% seien tatsächlich zur Wahlurne gegangen.

Screenshot crimeahrg.org

Die Menschenrechtsgruppe Krim registrierte unzählige Fälle von Einschüchterungen, dass Krim-Bewohner dazu gezwungen wurden, ins Wahllokal zu gehen und sie bedroht wurden, entlassen zu werden. Die Gruppe berichtetet auch darüber, dass in Schulen bei Elternabenden Eltern dazu aufgefordert wurden, dass sie „wählen gehen sollen und ihre Bürgerpflicht erfüllen sollen.“ Zudem wurden Manager von größeren Unternehmen dazu aufgefordert, zu garantieren, dass ihre Mitarbeiter zur Abstimmung gehen.

Screenshot @Nariman_Dzhelalov

 

Screenshot @Ленур_Ислямов

Der stellvertretende Vorsitzende der Medschlis Nariman Dzhelalov wies zusätzliche darauf hin, dass man aufgrund von Videoaufnahmen aus Wahllokalen mit einer hohen Konzentration von Krimtataren, nicht von einer hohen Wahlbeteiligung sprechen könne.

Der Koordinator der Krimer Kontaktgruppe für Menschenrechte Abduresheet Djepparov sagte Radio Liberty, dass jeder Wahlkreis auf der Krim von den russischen Behörden eine vorgegebene Wählerbeteiligung erhalten habe. Gebiete mit hohen Konzentrationen von Bewohnern der Krimtataren erhielten eine Quote von 80%. Da die Krimtataren bei dieser Wahl nicht sehr wahrscheinlich zur Wahl gehen würden, konnten die russischen Besatzungsmächte ihre Wahlquote nur durch Druck, Einschüchterung und Zwang oder durch das Einschiffen von Wählern aus Russland erreichen, sagte Djepparov.

 

Screenshot radiosvoboda.org

Unabhängige Beobachter und OSZE-Beobachter weigerten sich, die Wahlen vom 18. März auf der besetzten Krim zu beobachten. Wahlbeobachter, die die russischen Medien als internationale Beobachter präsentierten, waren in der Tat loyale Kreml-Anhänger aus verschiedenen Ländern, die auf Einladung Moskaus auf die Krim kamen, schreibt Halya Coynash von der renommierten Kharkiver Human Rights Group.

 

Screenshot khpg.org

In Ermangelung einer wirklich objektiven Wahlüberwachung dieser illegalen Wahlen auf der besetzten Krim sind jegliche Behauptungen zu Wahlergebnissen von Seiten Russlands und seiner Medienvertreter nicht nur unzuverlässig, sondern wahrscheinlich auch komplett unwahr.