Neben Dutzenden von Fällen von Folter, Hinrichtungen und Gewalt gegen die Zivilbevölkerung durch die russischen Besatzer in der Ukraine werden in dem Bericht der UN-Kommission tatsächlich zwei Fälle von Misshandlung russischer Soldaten durch die Ukraine genannt. Die kremlnahen Medien ignorierten jedoch die wichtigsten Schlussfolgerungen der internationalen Experten, die den russischen Streitkräften die Verantwortung für zahlreiche Folterungen, Gewalttaten und Tötungen in der Ukraine zuschrieben.

,,Die UNO hat anerkannt, dass die ukrainischen Streitkräfte Kriegsverbrecher sind“ – so kommentierten russische Medien den Bericht der Kommission des UN-Menschenrechtsrates über den Einmarsch Russlands in die Ukraine. Die kremlnahen Medien ignorierten die 17 Seiten des Berichts, in denen russische Verbrechen an Ukrainern beschrieben werden, und konzentrierten sich auf zwei Absätze, in denen zwei Fälle von Misshandlungen russischer Soldaten durch die Ukraine beschrieben werden. Ausgehend von diesen beiden Fällen beeilten sich die russischen Medien zu behaupten, die UNO habe ,,zahlreiche Verstöße gegen das Völkerrecht“ durch die Ukraine gesehen, die Russen ,,hinrichtet“ und ,,verhöhnt“.  

,,Die UNO beginnt langsam zu erkennen, wen sie in der Ukraine unterstützt“, triumphieren russische ,,Experten“.

Screenshot – mk.ru

Am 18. Oktober veröffentlichte eine UN-Kommission tatsächlich einen Bericht mit den Ergebnissen der Untersuchungen zu den Ereignissen in den Regionen Kyjiw, Tschernihiw, Charkiw und Sumy im Februar und März 2022. Die UN-Kommission besuchte 27 ukrainische Siedlungen und befragte mehr als 190 Opfer und Zeugen. Die Ermittler der UN-Kommission inspizierten die Stätten der Zerstörung, Gräber, Orte der Inhaftierung und der Folter sowie Überreste von Waffen und prüften eine Vielzahl von Dokumenten und Berichten. 

Das 17-seitige Dokument besteht aus 115 Absätzen und beschreibt die dokumentierten Fakten von Folter, Missbrauch, sexueller Gewalt und Hinrichtungen von ukrainischen Zivilisten durch die russischen Besatzer. Nur zwei Punkte des Berichts beschreiben zwei offenkundige Tatsachen des unangemessenen Verhaltens der Ukraine gegenüber den russischen Invasoren. Die russischen Medien konzentrierten sich auf diese Fälle und ignorierten dabei völlig die Dutzenden, wenn nicht Hunderte von Fakten, die die UN-Kommission über die von der russischen Armee begangenen Übergriffe auf die Zivilbevölkerung der Ukraine vorgelegt hatte. Darüber hinaus ignorierten die kremlnahen Medien die wichtigsten Schlussfolgerungen internationaler Experten, die den russischen Streitkräften die Verantwortung für zahlreiche Folterungen, Gewalttaten und Tötungen in der Ukraine zuschreiben.

UN-Experten berichten, dass Russland vorsätzlich ukrainische Zivilisten tötet und sowohl gegen internationale Rechtsnormen und Kriegsgesetze verstößt als auch Kriegsverbrechen begeht. Nach Angaben der UNO wurden vom 24. Februar 2022 bis zum 17. Oktober 2022 fast 16 Tausend getötete und verwundete ukrainische Zivilisten registriert. Zwischen dem 24. Februar und dem 31. März 2022 wurden in den vier Regionen, in denen die Kommission ihre Untersuchung durchführt, nach Angaben des OHCHR 1.237 Zivilisten getötet, darunter 112 Kinder. Die tatsächliche Zahl ist nach Angaben von UN-Experten viel höher ( Abs. 33 ). 

Der UN-Kommission zufolge hat Russland in großem Umfang Sprengstoff gegen Zivilisten und zivile Infrastrukturen in der Ukraine eingesetzt und dabei unter anderem durch das humanitäre Völkerrecht geschützte Bildungs- und medizinische Einrichtungen zerstört (Abs. 41, 42). Russland zielt sowohl mit nicht zugelassenen Raketen und Bomben als auch mit durch internationale Übereinkommen verbotener Streumunition auf Zivilisten ab (Abs. 44-50). Die Kommission stellte außerdem fest, dass Russland ukrainische Zivilisten als menschliche Schutzschilde einsetzte, indem es seine Truppen und Ausrüstung in Wohngebieten stationierte.

Darüber hinaus stellte die Kommission zahlreiche Fälle fest, in denen die russischen Besatzer das Feuer auf Zivilisten eröffneten, die vor dem Krieg zu fliehen versuchten. Der Bericht stellt fest, dass Russland auf zivile Konvois ,,bei Tageslicht geschossen hat, was bedeutet, dass dem Angreifer klar gewesen sein muss, dass er es mit einer Zivilperson zu tun hatte“. Vorsätzliche Angriffe auf Zivilisten sind Kriegsverbrechen, wie die Kommission in ihren Schlussfolgerungen hervorhebt (Abs. 56-59). 

Ein eigener Block des UN-Berichts ist der Betrachtung zahlreicher Fakten des Eingriffs der Besatzer in die persönliche Unversehrtheit der Ukrainer gewidmet.

Die Kommission betont, dass zu diesen Verstößen Hinrichtungen im Schnellverfahren, Folter, Misshandlungen, rechtswidriger Freiheitsentzug und Inhaftierung unter unmenschlichen Bedingungen sowie Zwangsdeportationen gehören (Abs. 65-85). Es wird auf die weit verbreitete sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt gegen die ukrainische Zivilbevölkerung hingewiesen, wobei die von russischen Soldaten vergewaltigten Opfer zwischen 4 und 80 Jahre alt sind. Die Besatzer vergewaltigten ukrainische Mädchen und Frauen, Jungen und Männer, – heißt es im UN-Bericht (Abs. 88-98). Das Dokument enthält auch Fälle von vorsätzlichen Hinrichtungen ukrainischer Kinder (Abs. 99-109). 

Die russischen Medien beschlossen, all diese von unabhängigen UN-Ermittlern bestätigten Fakten über die Gräueltaten der Besatzer zu ,,vergessen“ und stattdessen die Ukraine pauschal zu beschuldigen, ,,Kriegsverbrechen“ zu begehen. In ihren Schlussfolgerungen stellt die Kommission jedoch fest, dass sie auf der Grundlage der Ergebnisse der Ermittlungen zu den Ereignissen in Kyjiw, Tschernihiw, Charkiw und Sumy im Februar/März 2022 hinreichende Gründe für die Annahme gefunden hat, dass in der Ukraine eine Reihe von Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht begangen wurden. Für die überwiegende Mehrheit der von der Kommission festgestellten Verstöße sind die russischen Streitkräfte verantwortlich, so der Bericht (Abs. 109-112).