„Es gibt keine Gefahr“, „alles ist unter Kontrolle“, „die Luftverschmutzung ist auf einem zulässigen Niveau“, „es gibt keine Gesundheitsgefahren“ – die russischen Behörden der Krim setzen alles daran, der Öffentlichkeit zu versichern, dass keine Gefahr durch unerwartete und ungeklärte chemische Emissionen in der Krymski Titan-Fabrik in Armyansk, im Norden der Krim, besteht. Krymski Titan ist der größte Produzent des Weißpigments Titandioxid in Osteuropa.

Doch am 23. und 24. August strömte eine unbekannte Substanz in die Atmosphäre und füllte die Landschaft mit Smog und einem scharfen Geruch. Soziale Medien waren voll von Berichten über Häuser und Autos, die mit Plaque und Rost bedeckt waren, und über einen unbekannten Rauch, der über dem gesamten Gebiet hing.

Einige Tage später begannen einige Bewohner der Krim zu bemerken, dass Vögel aus Armyansk verschwunden waren. Einige Leute fanden tote Vögel in ihren Gärten. Gemüsegärten und Obstbäume begannen zu welken und die Menschen begannen selbst Augen- und Halsentzündungen zu erleben.

https://www.facebook.com/100014537296697/videos/465703437257562/

https://www.facebook.com/sergej.mokrusin/posts/1946314818750533

Die russischen Behörden auf der Krim und russische Medien ignorierten die Ereignisse mehrere Tage lang. Erst am 28. August bestätigte der Leiter, der von Russland annektierten Krim, Sergej Aksyonow auf seiner Facebook-Seite, dass unbekannte Emissionen in die Atmosphäre freigesetzt wurden, aber diese wären nicht das Ergebnis eines Unfalls bei Krymski Titan, behauptete er.

https://www.facebook.com/aksenov.rk/posts/1060645657442226

Am selben Tag erschien der Sonderbeauftragte für Umweltfragen, Ökologie und Verkehr des russischen Präsidenten Wladimir Putin Sergej Ivanow plötzlich auf der Krim. Bei seiner Ankunft gab Aksyonow zu, dass die Krymski Titan-Anlage für die Emissionen verantwortlich sein könnte. Aksyonow, der sich selbst widersprach, behauptete zunächst, dass die Emissionen keine Gesundheitsgefährdung darstellten, nannte die Emissionen jedoch später schädlich.

Kanal Krim 24 – Crimea 24

Als eine Vielzahl von Menschen anfing, Atembeschwerden zu erleiden und Panik aufkam, begannen die Krim-Medien Berichte darüber zu verfassen, dass die Emissionen kein Gesundheitsrisiko darstellten. Unzählige Luftqualitätskontrollen, die die russiche Verwaltung der Krim durchführte, lieferten alle das gleiche vorhersehbare Ergebnis: es gab keinen Anstieg der schädlichen Konzentrationen über das hinaus, was in der Atmosphäre zulässig ist.

Vom 28. August bis 4. September ignorierten die russischen Behörden der Krim und die russsischen Medien die mysteriöse Emissionen völlig. Erst am 4. September begannen die Behörden Kinder aus Armyansk zu evakuieren. Aksyonow betonte, dass es sich dabei nicht um eine Evakuierung, sondern um einen Urlaub handelte, und versicherte den Bewohnern von Armyansk, dass ihre Gesundheit nicht gefährdet sei und es keinen Grund für die Einführung von Notfallmaßnahmen gebe. Die Schadstoffkonzentrationen in der Luft auf der nördlichen Krim „überstiegen dabei immer wieder die zulässigen Normen“.

https://www.facebook.com/krymrealii/videos/1841050425976205/

Das Krymski Titan-Werk wurde für zwei Wochen geschlossen. Die Herkunft der schädlichen Emissionen wurde als Säureverdampfung aus der Anlage identifiziert.

Die Abgaswolke erreichte das ukrainische Festland und breitete sich in der Region Kherson aus. Der staatliche Grenzschutz der Ukraine berichtete über eine zunehmende Verschmutzung entlang der administrativen Grenze zur Krim und schloss die Grenze am 6. September vorübergehend.

Die ukrainischen Behörden identifizierten die umweltschädlichen Emissionen als Schwefeldioxid, einen Luftschadstoff, der erhebliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat und eine Vorstufe für sauren Regen darstellt. Sie fanden heraus, dass der Schwefeldioxidspiegel sechsmal höher war als normal.

Der Biologe der Odesa Nationale Universität, Vladislav Balynskyi, gab an, dass Schwefeldioxid ein Karzinogen ist und die Atemwege ernsthaft schädigen, Atemmembranen verbrennen und sogar das Atemschutzgerät lähmen kann.

Die ukrainische Ombudsfrau Ludmila Denisova hat die UNO, die OSZE, die Weltgesundheitsorganisation und das Rote Kreuz über die schädlichen Abgase in Armyansk informiert. Präsident Petro Poroshenko hat Kinder von der Krim in Gesundheitszentren auf dem ukrainischen Festland eingeladen. Unterdessen leugnen die russischen Behörden der Krim weiterhin den Ernst der Lage, während Russland Geschichten über die glücklichen Kinder von Armyansk veröffentlicht, die sich in den Krimkurorten erholen. Und die russischen Medien werfen Kiew nach einer gut ausgefeilten Kremlerzählung vor, „ein Ablenkungsmanöver in der Krymski Titan-Anlage zu schaffen“.

Das Krymski Titan-Werk ist ein Chemiewerk, das 1971 im Norden der Krim seinen Betrieb aufnahm. Seit Anfang der 2000er Jahre ist das Werk Teil der DF-Group gewesen, einer riesigen Holdinggesellschaft des pro-russischen Oligarchen Dmytro Firtash. Das Werk produziert Chemikalien, die in der Farben-, Gummi- und Kunststoffproduktion eingesetzt werden.